Kollektives Bewusstsein
Kollektives Bewusstsein steht für das starke und geteilte Gefühl, sich gemeinsam in einem Erfahrungsfeld zu befinden (Midgley). Menschen berichten davon in unterschiedlichsten Kontexten, von spirituellen Zusammenkünften bis hin zu kreativer Zusammenarbeit in Unternehmen. Die Naturwissenschaften haben hierfür (bisher) keine Erklärung.
Gesichert ist, dass Emotionen ansteckend sind. Über die Spiegelneuronen gleichen sich die emotionalen Muster im Gehirn von Gruppenmitgliedern aneinander an. Die Entwicklung des Gehirns von Hominiden wird als kollektiver Prozess angesehen, das Gehirn ist demnach ein Gemeinschaftsorgan.
Kollektives Bewusstsein ist häufiger feststellbar in Kontexten, in denen gemeinsam geschwiegen wird. Es scheint, dass die Nervensysteme von Menschen unter geeigneten Umständen in ein simpatico, in Resonanz verfallen und miteinander verbunden sind. Es wird angenommen, dass es sich um eine Stimulation durch niedrige Energie handelt. Daher kommen eher Theorien des dynamischen Hirns als des kalkulatorischen Hirns zur Anwendung. Freemans neurodynamischer Ansatz beruht auf den Konzepten der Massenwirkung und der Synchronität in neuronalen Populationen und stellt somit die oftmals angenommene Linearität von Hirnprozessen infrage. Dynamische Muster neuronaler Aktivität sind hochveränderbar und reagieren bereits auf die kleinsten Reize, so wahrscheinlich auch auf Bewusstseinsprozesse von Anwesenden.
Es scheint zudem eine Dimension des kollektiven Bewusstseins zu geben, die nicht nur Anwesende erfasst, sondern uns als Erdengemeinschaft. Viel deutet darauf hin, dass wir als Menschheit ein Massenbewusstsein haben (entsprechend beispielsweise Jungs Theorie des kollektiven Unbewussten). Im Global Consciousness Project werden durch etwa hundert Wissenschaftler:innen Messungen an 65 Orten weltweit durchgeführt, die in der Regel zufällige Daten erheben. Diese Muster ändern sich jedoch bei großen Festivitäten oder Dramen, wie beispielsweise Silvester oder Terroranschlägen. Auch gibt es wiederholte Studien, nach denen die Kriminalität in einer Region um 16 % abnimmt, wenn 1 % der Bevölkerung transzendentale Meditation betreibt (Dillbeck). Auch in der Soziologie wird festgestellt, dass Entwicklungen oftmals in gewissen Phasen beschleunigt und zeitgleich stattfinden (Murphy). Es wird davon ausgegangen, dass kollektives Bewusstsein ebenso wie individuelles Bewusstsein in einem sozialen und kulturellen Milieu lernt und sich sprunghaft entwickelt, sich demnach Phasen von langsamer und schneller Entwicklung abwechseln.
Buchempfehlung: „Connected: The Emergence of Global Consciousness“ von Dr. Roger Nelson, dem Leiter des Global Consciousness Project an der Princeton University. Das Buch fasst 20 Jahre Ergebnisse der Reaktionen des Massenbewusstseins auf globale Ereignisse zusammen und zeigt auf, wie tief wir als Menschheit durch Liebe, Mitgefühl und Kreativität miteinander verbunden sind.
Quelle: Combs, Allan & Krippner, Stanley (2008): Collective Consciousness and the Social Brain. Journal of Consciousness Studies, 15(10-11), 264-276.